Leben und leben lassen in San Francisco

American Beauty

L.A.? Aufregend. New York? Gewaltig. New Orleans? Lebhaft. Amerikas (Groß-) Städte sind wirklich faszinierend. Jede auf ihre Weise. Jedoch fehlt ihnen meist etwas, dass viele europäische Städte auszeichnet: Schönheit.

San Francisco sei anders, wurde mir bereits vor meinem Besuch gesagt. Sehr europäisch. Und ja, das ist sie. „Frisco“, so ihr Spitzname, ist wirklich schön. Weltoffen. Vielseitig. Lebenswert.

Aber nur, wenn man sich das Leben dort leisten kann.

Mein erster Tag beginnt skurril. Die PRIDE macht Station in San Francisco, eine kunterbunte Parade der LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender).

Pride Care
They really care…

Wie beim Karnevalsumzug säumen tausende Menschen in bunten Kostümen die Market Street, die Hauptstraße der Innenstadt.

Pride Paar

Vielfalt ist das Motto der PRIDE – und Vielfalt wird geboten.

Und wenn selbst die (evangelische) Kirche mitmacht, dann scheint hier etwas Außergewöhnliches zu passieren.

Pride Priester
Ihr Motto: „Lutherans who believe Love is Love is Love.“

Ordnung muss natürlich sein und so ist selbstredend die Polizei vor Ort. Und versucht, nicht aufzufallen. Das geht nur mit betont coolem Auftreten.

Pride Police
Nix YMCA – diese Polizisten sind „echt“.

Nach einigen Stunden ist die Parade vorbei, der Lärm auf der Straße hat normales Maß erreicht und auch die Leute ohne Kostüm (bzw. ganz ohne irgendwas) machen sich auf den Heimweg – oder in die Bars und Restaurants der Stadt.

Pride Naked
Ich hab mal vorsichtshalber gepixelt, wer weiß, wer zuschaut…

Hier im Zentrum San Franciscos sind nicht nur gut gebaute Menschen zu bewundern, sondern auch gut gebaute Gebäude (was eine Überleitung). Modern und historisch wechseln sich hier munter ab – alles zusammen ergibt ein sehr stimmiges Stadtbild.

Frisco Architektur

Wahrzeichen der Skyline: die 260 Meter hohe Transamerica Pyramid.

Frisco Pyramide

Doch für die Innenstadt kommen die meisten Besucher nicht. Sie wollen ans Meer. Und das absolut zurecht. Denn hier tobt das eigentliche Leben San Franciscos. Am Pier 39 buhlen Boutiquen und Restaurants um die Gunst der Touristen.

Pier 39

Hier genießt man Fish & Chips oder Muscheln im Sauerteigbrot. Oder man lässt sich mit Donald Trump und Kim Jong Un fotografieren…

TrumpKim
…die waren zufällig gerade in der Stadt.

Ein paar Schritte vom Pier entfernt, ist die Brise steif und der Blick auf die Gefängnisinsel Alcatraz und den (fast schon grünen Pazifik) grandios.

Alcatraz

Hier verweilt man gerne – Mensch ebenso wie Seelöwe. Letztere haben am Pier VIP-Plätze. Streit um den besten Platz an der Sonne gibt es trotzdem…

Seelöwen

…oder man sucht sich einfach was Ruhigeres.

Lazy Seelöwe

Fahrten nach Alcatraz inklusive Besuch sind teuer – und schnell ausgebucht. Aber eine Rundfahrt um die Insel inklusive Golden Gate Bridge kostet beim richtigen Anbieter nur 15 Dollar. Und das lohnt sich. Folgt man zuerst den Surfern zur imposanten Brücke…

Golden Surfer

…umkurvt man sogleich Alcatraz.

The Rock

Von „The Rock“ ist bekanntlich Sean Connery mal ausgebrochen – nur um dann mit Nicolas Cage wieder dort einzubrechen, um einen Giftgasangriff auf die Stadt zu verhindern, wir kennen die Geschichte….

Der hübsche Blick auf „Frisco“ rundet die einstündige Alcatraz-GoldenGate-Tour schließlich ab.

Frisco

Stichwort Golden Gate: Die ist wirklich außergewöhnlich…wenn das Wetter stimmt, man den richtigen Platz und den Blick für sie findet.

Golden Gate
…und kein Nebel herrscht.

Diese beiden haben ihren Lieblingsplatz am Ufer schon lange gefunden.

Mann mit Hund
14 Jahre hat die Hündin auf dem Buckel. „Sie liebt den Wind, der vom Meer kommt“, erzählt ihr Besitzer. Man glaubt es ihm gerne.

Die rote Farbe der Brücke wird übrigens immer wieder nachgestrichen. Ist man hinten fertig, fängt man vorne wieder an.

Golden Schiff

Wer von Brücke und Ufer genug hat und wieder in die Innenstadt möchte, kann das zu Fuß oder mit dem Auto machen. Auf Läufer und Fahrer warten allerdings Steigungen, die Körper und Motor auf eine Belastungsprobe stellen.

Frisco Straßen
„Hatte ich die Bremsen nochmal kontrollieren lassen?“

Einfacher und viel stylisher geht es mit dem Cable Car – neben Golden Gate und Pyramide das Aushängeschild San Franciscos.

Cable Car

Sieben Dollar kostet ein Weg und schnell gehts auch nicht voran. Aber es macht Spaß mit diesem gefühlt mittelalterlichen Gefährt über die Hügel zu rumpeln.

San Francisco – tolle Stadt. Das haben sich auch viele Menschen gedacht, die im nahen Silicon Valley ihrer Arbeit nachgehen. Und gut verdienen. Letzteres ist Grundvoraussetzung, um in der Stadt gut leben zu können. Das 5-Millionen-Dollar-Häuschen am Ufer…geschenkt. San Francisco hat ein ganz anderes Problem: die Mieten. Der Studie eines Wohnungsportals zufolge, kostet ein möbliertes Ein-Zimmer-Appartement in San Francisco im Schnitt 2031 Euro – damit ist die Stadt weltweiter Spitzenreiter. Nicht nur die vielen neuen Arbeiter im Silicon Valley haben die Preise nach oben getrieben. Die Formel ist ganz einfach: attraktive Stadt trifft neue Bewohner trifft zu wenig sozialen Wohnraum. Wer Spitzenverdiener ist, kann darüber hinwegsehen. Wer das nicht ist, hat das Nachsehen.

Ich habe eine schockierende Zahl gelesen. Allein in San Francisco soll es 7000 Obdachlose geben. Weil sie ihren Job verloren haben, vom Mitbewohner rausgeworfen wurden, weil sie alkoholsüchtig wurden – aber vor allem, weil sie sich ein Leben in der Stadt schlicht nicht (mehr) leisten können.

Das Ergebnis ist auf San Franciscos Straßen mehr als offensichtlich. Gerade die Gegend um die zentrale Marketstreet ist von unzähligen Obdachlosen bevölkert. Manche versuchen minimale Geldquellen anzuzapfen, indem sie etwa den Menschen vorm Fast-Food-Restaurant die Tür aufhalten und eine Belohnung erhoffen. Manche haben sich bereits komplett aufgegeben, schlafen mitten auf dem Bürgersteig oder schreien unverständliches Zeug vor sich hin. Die schiere Anzahl der Menschen auf der Straße ist erschreckend. Zumal es wohl nicht mal für ein Drittel der Menschen Platz in den „sheltern“, den Obdachlosenheimen, geben soll.

Eine Lösung wäre ein starker Anstieg bezahlbaren Wohnraums. Aber das kriegt ja schon Deutschland nicht hin. San Francisco will jetzt mehr Geld in die Hand nehmen und stärker mit Non-Profit-Organisationen zusammenarbeiten. Ob sie die Lage in den Griff bekommen – zweifelhaft.

Wenn die Nacht hereinbricht in der Stadt, haben viele Menschen kein Bett zum Schlafen.

Frisco Nacht

San Francisco kann so viel: Die Stadt empfängt Schwule und Lesben mit offenen Armen, sie bietet Reisenden eindrucksvolle Erlebnisse, sie zeigt, wie schön eine amerikanische Stadt sein kann. Wenn sie ihre Bürger jetzt noch von der Straße bekäme, wäre die Stadt wirklich ein Vorbild für die Welt: attraktiv und sozial.

Wen kümmert es? Am besten alle.

We Care

 

3 Comments on “Leben und leben lassen in San Francisco

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