Ein Roadtrip durch Nordamerika. In Farbe.
Highway to heaven
230 Kilometer – die sind mit dem Auto in zwei bis drei Stunden locker zu schaffen. Sind sie nicht. Nicht auf dem Icefields Parkway. Und das liegt weniger daran, dass man hier nur maximal 90 km/h fahren darf, sondern vor allem an der Tatsache, dass man etwa alle 10 Minuten anhalten muss, weil sich wieder ein neues Highlight am Wegesrand auftut.
Der Icefields Parkway führt vom Lake Louise im Banff National Park durch die Rocky Mountains nach Jasper im Jasper National Park. Der Ruf als eine der schönsten Straßen der Welt eilt ihm voraus. Zurecht?
Man ist von Lake Louise noch nicht lange unterwegs, da lockt ein erster Stopp beim Herbert Lake.
Ein ruhiger, entspannter See vor idyllischer Bergkulisse – perfekt, um mit einem aufblasbaren Einhorn ein paar Runden zu drehen. Da ich gerade keines dabei habe, fahre ich weiter.
Nur um nach zwanzig Minuten wieder für einen See anzuhalten. Aber nicht irgendeinen. Lockten Lake Louise und Moraine Lake schon mit ihrer türkisen Farbenpracht, setzt der Peyto Lake dem ganzen nochmal die Krone auf.
Als hätte man das Tal einfach mit blauer Folie überzogen, staunt man sehr ob des grandiosen Panoramas. Leider tun das auch hunderte von Touristen am Viewpoint – also mehr oder weniger. Ein unaufhörliches Gebrabbel von chinesischen, japanischen, deutschen und englischen Stimmen, gepaart mit Kindergeschrei und aufkommenden Streitigkeiten. Ein deutsche Familie diskutiert lautstark, wie man denn das beste Foto zu machen habe, denn die Söhne haben Extrawünsche und Mutti ist überfordert. Ich will schon rüberrufen „Haltet die Klappe und genießt die Aussicht!“, da beendet Mutti die Diskussion mit einem genervten „Ist das das Einzige, was wir uns heute anschauen?“.
Ich beschließe dem Touriwahnsinn zu entfliehen und nehme den Glacier Trail runter zum See. Das Ziel: der Ort, wo sich Gletscherwasser und See treffen.
Der Weg runter ist ziemlich steil und zieht sich. Als mir zwei keuchende Wanderer entgegenkommen, ahne ich, was mich auf dem Weg hinauf erwartet. Ein Vorteil hat diese Unternehmung jedoch. Da so gut wie kein Mensch gewillt ist, diese Strapazen auf sich zu nehmen, ist man unten tatsächlich ganz allein. Und kann tun und lassen, was man will.
Herrlich.
Allerdings gibt es jetzt auch nicht so viel zu tun und zu lassen. Nachdem man mit perfekter Balance den reißenden Strom überquert hat…
…kühlt man die geschundenen Füße im Wasser ab. Allerdings nur für maximal 20 Sekunden. Denn das Gletscherwasser heißt nicht umsonst so. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes eiskalt. Mehr als Füße, Hände und Gesicht bekommt der Peyto Lake heute nicht von mir.
Nach fünf Minuten Aufstieg zurück zum Viewpoint wünsche ich mir jedoch ein Tauchbecken mit Eiswasser. Denn jetzt wird erst recht klar, warum niemand diesen Trail nimmt. Vielleicht sollte ich einfach mehr trainieren.
Zurück auf der Straße will ich endlich mal etwas Strecke machen – aber nichts da. Der Howse Trail ist flach und kurz und öffnet sich in einem Panorama, dass ein Foto kaum wiederzugeben vermag.
Dies ist der richtige Platz zum Innehalten. Fantastische Aussicht – ohne Tourilärm.
Weiter geht es Richtung Norden, wo der Icefields Parkway dem Attribut „Traumstraße“ an nahezu jeder Ecke gerecht wird.
Hat man auf dem Weg von Banff nach Jasper schon eine Ahnung bekommen, woher der Icefields Parkway seinen Namen hat, löst er das Rätsel spätestens in der Mitte des Weges auf und präsentiert dem staunenden Autofahrer die Ausläufer des Columbia-Eisfelds.
Hier ist es der Athabasca-Gletscher, der Reisende anlockt. Eine dicke Eiszunge…die allerdings in meinem Geburtsjahr noch ne ganze Ecke dicker (und länger) war.
Wer für teures Geld eine Tour bucht, kann mit einem Spezialfahrzeug den Gletscher befahren. Oder man spart sich einfach die Kohle und macht (vorsichtig) ein paar Meter zu Fuß auf dem Eis…
Macht auch schon viel her.
Mittlerweile bin ich im Jasper National Park angelangt. Und der wartet gleich mit ein paar schicken Wasserfällen auf. Der schönste ist wohl unbestritten der Sunwapta Fall.
Aber auch der wenige Kilometer entfernte Athabasca Fall stürzt sich lautstark die Felsen hinab…
…um unten im Tal schließlich zur Ruhe zu kommen.
Irgendwann komme ich tatsächlich in Jasper an. Der Ort selbst ist kaum der Rede wert. Wie Banff, nur kleiner und weniger hübsch. Nach einer Nacht auf dem Campground reise ich zum eine Stunde entfernten Maligne Lake, der das Nummer 1-Touristenziel in Jasper ist. Allerdings zieht seit einem Tag der Rauch von Waldbränden im nahen British Columbia über den Park, so dass auch der See nicht mehr allzu viel hermacht.
Also auf zum benachbarten Moose Lake. Der so heißt, weil man dort Moose, also Elche, antreffen soll.
Zweimal mache ich den Weg zum See, zweimal lege ich mich auf die Lauer. Doch außer hunderten, ach was sag ich, tausenden aggressiven Fliegen ist hier kein Wildlife zu beobachten. Elchtest nicht bestanden. Obendrein habe ich noch zwei Bärensichtungen knapp verpasst. Wohl nicht mein Tag heute.
Etwas frustriert mache ich mich auf den Weg zurück zum Campground, als sich plötzlich Autoschlangen bilden. Während Staus, Autos mit Warnblinkern und aufgebrachte Menschenmengen in anderen Staaten oft auf einen Unfall hindeuten, heißt es in Kanada meist: wilde Tiere! Und in der Tat habe ich doch noch Glück! Ein Schwarzbär flaniert am Straßenrand.
Fast genauso interessant wie das Tier ist allerdings die Meute, die sich mit Kameras bewaffnet auf Bärenjagd macht. Papbärazzi quasi…
Dem Black Bear selbst scheinen die Fotografen ziemlich egal zu sein, er trottet unverdrossen weiter.
Da alles sehr schnell geht, schnappe auch ich einfach die Kamera und schieße ein paar Bärenbilder. Leider habe ich in der Eile die falsche Belichtungszeit gewählt. So dass der Bär zwar gut getroffen, aber etwas unscharf daher kommt. Ich gelobe Besserung. Allerdings merke in der Eile des Gefechts ebensowenig, dass ich nur noch fünf Meter vom Bären entfernt bin. Der zeigt zwar kein aggressives Verhalten, aber das ist dann doch zu nah. Und schließlich habe schon ein Bär an diesem Tag einen Scheinangriff auf eine Touristin gestartet, wie ich erfahre.
Alle Campgrounds sind an diesem Abend voll. Der Overflow Parkplatz liegt eine Weile außerhalb von Jasper. An der Ausfahrt zu selbigem rausche ich allerdings erstmal vorbei. Zum Glück! Denn neben dem Highway sind noch mehr Wildtiere unterwegs: Dickhornschafe!
Wobei nicht nur neben dem Highway. Vor Autos, LKW oder Reisebussen scheinen die Big Horn Sheep keine große Scheu zu haben – und laufen einfach über die Fahrbahn.
Das Highway-Highlight ist damit aber noch nicht erreicht, denn nur wenige Minuten später tauchen riesige Geweihe am Straßenrand auf.
Es sind Wapiti! Und zwar besonders große und schöne Exemplare.
Zwei Hirsche haben es sich hier nahe Jasper Stadt gemütlich gemacht. Und sie genießen ebenso die warme Abendsonne wie die drei Menschen auf dem Titelbild.
Wer kann’s ihnen verdenken?
Fazit: Fotos und Worte sind nur ein unbefriedigendes Mittel, um die Fahrt von Banff nach Jasper und wieder zurück zu beschreiben. Den Icefields Parkway muss man erlebt haben. Wer mir eine schönere Straße zeigt, den lade ich auf einen Elchburger ein.
Wenn ich einen Elch finde.
Papbärazzi, herrlich! Ich drück die Daumen, dass du noch einen Elch zu Gesicht bekommst 😉
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Obärgeile Bilder!
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Text und Fotos, lieber Martin, unübertroffen Spitze, ebenso die genialen Wortspiele. Du mückenstichgeplagter mammeling bleib gesund, denn auf die nächsten Berichte und Fotos – von wo auch immer – freuen wir uns. Übrigens, das Foto mit dem scheinangriffslustigen Meister Petz ist einfach „bärenstark“. Übrigens: Ein Riesenkompliment für Deinen Beitrag zu dem überflüssigsten Präsidenten, den ich je erleben musste. Bleibe fotohungrig wie bisher und schreibe weiter so flott und lesenswert. Danke, danke. Auch Ingrid dankt und grüßt Dich herzlich. Die besten Wünsche für Dich
Deine erwartungsfrohen und staunenden Fans
Ingrid und Heinz
I
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